Am zweiten Septemberwochenende war viel los in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Der Stadtteil Ahrweiler feierte 1125. Geburtstag mit vielen Veranstaltungen und auch 28 Jugendliche aus ganz Rheinland-Pfalz kamen zum 16. Treffen der kommunalen Jugendvertretungen zusammen.
Im Mehrgenerationenhaus in Bad Neuenahr-Ahrweiler waren vom 15. bis zum 16. September VertreterInnen aus
- dem Jugendparlament Worms
- dem Jugendstadtrat Speyer
- dem Jugendrat Koblenz
- der Jugendbeteiligung Landau
- der OKUJA Bad Neuenahr-Ahrweiler
- dem Jugendrat Langenlonsheim
- dem Jugendbeirat Mayen
- dem Trierer Jugendparlament
- dem Dachverband der kommunalen Jugendvertretungen Rheinland-Pfalz
- der LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz
mit dabei. Kooperationspartner vor Ort war die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKUJA) Bad Neuenahr-Ahrweiler. Das Team von medien.rlp - Institut für Medien und Pädagogik e.V. wurde in diesem Jahr unterstützt von Daniela Mahr von Reflecta - Rethink Your World und Seda Demiriz, die die Veranstaltung als Graphic Recorderin begleitete.
Das Motto, wie jedes Jahr „So-geht’s!“ war in diesem Jahr verstärkt auf Beteiligung und Mitbestimmung ausgelegt. Entsprechend standen Vernetzung, gegenseitige Unterstützung und Lösungsorientierung im Fokus der Veranstaltung. Darum bekamen die TeilnehmerInnen mit der Anmeldung auch nicht „nur“ ein Namenschild, sondern auch die Möglichkeit, eine „Suche“ und eine „Biete“ Option zu einem konkreten Thema zu vermerken. So hatten die Jugendlichen während des Treffens die Chance, sich bezüglich der Suche-Biete Themen auszutauschen und miteinander zu vernetzen. Das Ganze wurde auch bildlich in einer digitalen Fotowand festgehalten, auf die die Jugendlichen während der Veranstaltung jederzeit Zugriff hatten.
SAMSTAG // Los geht’s!
Nach der offiziellen Begrüßung der JugendvertretererInnen und einer kurzen Erläuterung von Struktur und Ablauf, begann die Kennlern- und Vorstellungsrunde mit einem Speed-Dating. Die Herausforderung bestand darin, sich seinem Gegenüber in drei Minuten mit allen wichtigen Informationen zur Person und der eigenen jugendpolitischen Arbeit vorzustellen. Danach stellten die TeilnehmerInnen die jeweils andere Person innerhalb einer Minute der Gesamtgruppe vor.
Was ging?
Beim Statuscheck reflektierten die TeilnehmerInnen die Umsetzung ihrer Ziele des vergangenen Jahres. Mit Ampelkarten (rot, gelb, grün) dokumentierten sie, was bei der Umsetzung gut (grün), was schlecht (rot) gelaufen ist und welche Unterstützung sie benötigt haben oder gehabt hätten (gelb). Die Ergebnisse wurden auf Plakaten festgehalten und im Plenumsraum aufgehängt. So hatten die TeilnehmerInnen während des Treffens die Möglichkeit, andere Jugendvertretungen gezielt auf ihre Erfolge oder Schwierigkeiten anzusprechen.
So geht’s auch!
Im Anschluss an den Statuscheck bekamen die TeilnehmerInnen einen Input von Daniela Mahr. Die Speakerin und Gründerin von Reflecta - Rethink Your World präsentierte den Jugendlichen alternative Formen politischer und gesellschaftlicher Beteiligung. Beispielhafte Kampagnen waren dabei die Projekte “The Ocean Cleanup“ und „gramm.genau“, die sich mit der Reduzierung von Plastikmüll beschäftigen. Ziel war es, den TeilnehmerInnen Mut zu machen, sich auch gegen Widerstände mit ihren Ideen und Anliegen durchzusetzen, auch wenn sie noch so unkonventionell sind. Nach einer kurzen Vorbereitung auf den nächsten Programmpunkt, gab es dann erst einmal eine Mittagspause.
Was geht bei euch?
Auf Grundlage der Suche-Biete Angaben auf den Namensschildern wurden vor dem Essen vier thematische Arbeitsgruppen erstellt. Die TeilnehmerInnen konnten sich entsprechend ihrer Interessen und Kompetenzen zuordnen. Zu den Themen Veranstaltungsmanagement, Netzwerken und Beteiligungsarbeit, Auftritt und Wirkung und Expertinnen-Talk mit Daniel Mahr wurde dann frisch gestärkt in Kleingruppen diskutiert. Im Vordergrund standen der gegenseitige Austausch von Wissen und Erfahrungen sowie das lösungsorientierte Arbeiten an Problemen und Fragen der einzelnen Jugendvertretungen.
Was sagt die Ministerin?
Nach einem regen Austausch untereinander stand dann das Gespräch mit Jugendministerin Anne Spiegel an. Die Jugendlichen hatten Zeit und Raum alle ihre Fragen und Anliegen an die Ministerin zu richten. Auf die Frage hin, wie die Jugendlichen in ihren Anliegen ernst genommen werden können, appellierte die Ministerin an die TeilnehmerInnen, laut und beharrlich zu sein, damit ihre Interessen gehört und vertreten werden.
Aus aktuellem Anlass spielte auch die Diskussion über Rechtspopulismus eine Rolle, in deren Zusammenhang sich die Ministerin klar für die Bedeutung und Wichtigkeit der Demokratie aussprach und den TeilnehmerInnen für ihr Engagement im Rahmen der Jugendvertretungen dankte. Neben der Ministerin waren auch VertreterInnen der Presse aus Rheinland-Pfalz anwesend. Einen Bericht des SWRs über das Treffen der kommunalen Jugendvertretungen gibt es hier. Zum Abschluss des Treffens mit der Ministerin gab es noch ein Gruppenfoto.
Wo geht’s hin?
Zurück im Plenum und wieder unter sich wurde sich angeregt über das Gespräch mit der Ministerin ausgetauscht. Was war gut, was war schlecht, wurden alle Fragen beantwortet? Im Gedächtnis geblieben war den TeilnehmerInnen vor allem die Diskussion über Demokratie und die aktuelle Entwicklung unserer Gesellschaft. Genau hier knüpfte auch der letzte Programmpunkt für den Samstag an. Mit der Fragestellung „Wie soll oder wird unsere Gesellschaft 2050 aussehen?“ fanden sich die TeilnehmerInnen wieder in Kleingruppen zusammen, um ihre Vorstellungen, Wünsche oder Befürchtungen für die Zukunft zu diskutieren. Die Gruppen hielten ihre Ergebnisse auf Plakaten fest, die sie anschließend der ganzen Gruppe präsentierten.
Befürchtungen der Jugendlichen waren das Erstarken von extremistischen Parteien und der damit einhergehende Schwund von Demokratie, eine Spaltung der Gesellschaft sowie die Zerstörung der Lebenswelt für Mensch und Tier durch Umweltverschmutzung und Krieg. Wünschen würden sich die Jugendlichen eine Welt, in der Werte wie Demokratie, Ressourcen- und Chancengleichheit, Umweltschutz und Frieden gelebt und umgesetzt werden. Konkrete Vorschläge, um eine solche Welt zu erreichen, waren eine Vereinfachung von Wahlen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, den Umweltschutz durch erneuerbaren Energien im Grundgesetz festzuhalten sowie Prävention und Aufklärung zu betreiben, um ein freundliches und offenes Miteinander zu erreichen.
Ab geht’s!
Nach viel Input, Diskussion und Austausch den ganzen Tag über ging es nach der Präsentation der Visionen für 2050 in den inoffiziellen Teil des Tages über. Gemeinsam fuhren alle TeilnehmerInnen nach Ahrweiler auf das Stadtfest, wo man und frau sich, ausgestattet mit einem kleinen Budget, ihr Abendessen besorgen konnten. Anschließend stand die Veranstaltung „Kunst gegen Bares“ der OKUJA aus Bad Neuenahr-Ahrweiler auf dem Programm. Auf der Veranstaltung präsentierten verschiedene Künstler, ob musikalisch, komödiantisch oder poetisch ihre Kunst, für die im Anschluss gespendet werden konnte. Ein bunter und unterhaltsamer Abschluss mit persönlicher Begrüßung der Jugendvertretungen durch den Moderator rundete den Tag für die Jugendlichen gelungen ab.
SONNTAG // Was soll werden?
Der Sonntag begann für die JugendvertreterInnen mit einer Reflexionsrunde im Plenum. Gemeinsam wurde noch einmal über den Vortag nachgedacht und erörtert, über welche Themen sich die Jugendlichen ganz besonders mit der Politik austauschen möchten. Die genannten Themen wurden gesammelt und im nächsten Schritt über ihre Wichtigkeit für die jungen Menschen abgestimmt. Als besonders relevant stellten sich die direkte Mitbestimmung von Jugendlichen an politischen Prozessen, die Digitalisierung inklusive Fortbildungen und die politische Bildung, sowohl schulisch als auch außerschulisch, heraus.
Was macht der Dachverband?
Zweiter Programmpunkt am Sonntagmorgen war der Bericht zur Arbeit des Dachverbandes der kommunalen Jugendvertretungen RLP Der Vorstand (Sebastian Gruber, Sabrina Kleinhenz und Maximilian Winstel) des im Juni 2017 gegründeten Dachverbands berichtete auf dem diesjährigen Netzwerktreffen über die bisher vollbrachte Arbeit; wie er die Jugendvertretungen landesweit vertritt, sich für ihre Interessen in der Landespolitik einsetzt und was er für die Vernetzung der Jugendvertretungen untereinander unternimmt. So ist z.B. geplant, die Vernetzung von engagierten Jugendlichen im Land noch weiter voran zu treiben. Um den Kontakt zur Politik zu pflegen, treffen sich Jugendliche des Dachverbands regelmäßig mit Vertreter*innen des Ministerium fürs Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz (MFFJIV) des Landes Rheinland-Pfalz. Des weiteren arbeitet der Dachverband aktuell an einer Website, die Informationen für Mitglieder über den Dachverband und solche die es werden wollen bereit hält. Aktuell sind die Jugendvertretungen aus Koblenz, Langenlonsheim, Herxheim-Hayna, Speyer, Trier und Worms im Dachverband der kommunalen Jugendvertretungen aus Rheinland-Pfalz vertreten. Einen Überblick über die Jugendvertretungen in Rheinland-Pfalz, Fördermöglichkeiten und Veranstaltungen bietet die Seite jes-rlp.de, die vom MFFJIV in Auftrag gegeben wurde.
Nach dem Abstecken allgemeiner Ziele folgte die Auseinandersetzung mit den spezifischen Zielen der eigenen Jugendvertretung. In ihrer Jugendvertretung setzten sich die TeilnehmerInnen Ziele, die sie bis zum nächsten Treffen der kommunalen Jugendvertretungen erreicht haben möchten. Besonders wichtig ist es den Jugendvertretungen, ihre Präsenz und Bekanntheit vor Ort zu steigern, mehr Freizeitangebote - von Aktionskino bis Skatepark - zu schaffen und zu etablieren, den öffentlichen Nahverkehr jugendgerechter zu gestalten, z.B. durch den Ausbau von Radwegen, aber auch das Bewusstsein junger Menschen für Organ- und Knochenmarkspenden zu sensibilisieren. Die Zielformulierungen dokumentierten die einzelnen Jugendvertretungen in kurzen Videosequenzen.
Was geht bei den Landtagsfraktionen?
Traditioneller Bestandteil der So-geht's-Treffens sind die Gespräche mit den jugendpolitischen SprecherInnen der Landtagsfraktionen. Diese haben ihren festen Platz am Sonntag Vormittag. Alle Parteien waren eingeladen, gekommen sind Dirk Herber (CDU) und Marc Ruland (SPD). Sie stellten sich den Jugendlichen zum Dialog zur Verfügung, gaben Tipps und hörten ihnen aufmerksam zu. Als Gesprächseinstieg dienten die am Morgen formulierten Oberthemen Mitbestimmung, Digitalisierung und politische Bildung. Die beiden Abgeordneten erörterten den Jugendlichen im Plenum nacheinander kurz und bündig die Standpunkte ihrer Partei zu den drei genannten Themen. Dafür hatten sie jeweils zehn Minuten Vorbereitungs- und Redezeit.
Dirk Herber (CDU) sieht den Weg zu mehr Beteiligung von Jugendlichen beispielsweise darin, den Dialog mit Jugendlichen weiter zu stärken. Vom Wahlalter 16 distanzierte er sich im Gegensatz zu Marc Ruland (SPD), der dies begrüßte. Für politische Bildung sei die Schule der geeignete Ort, so Herber, da durch die Schulpflicht alle Jugendlichen erreicht würden. Ruland sieht einen Auftrag politischer Bildung auch darin, für demokratische Grundwerte "auf der Straße" einzustehen. Im Zentrum der Digitalisierung steht für Herber der Erwerb von Medienkompetenz. Lehrkräfte sollten entsprechende Weiterbildungen erhalten, um Schule zukunftsfähig gestalten zu können, schloß der CDU Politiker. Marc Ruland wies darauf hin, dass ein Beauftragter für Digitalisierung notwendig sei.
Im Anschluss gingen die Jugendvertreter*innen in den direkten Austausch mit den beiden Sprechern und behandelten sowohl die zuvor genannten Standpunkte als auch weitere aktuelle Themen. Auch vor dem Hintergrund der Wahlen im nächsten Jahr wurde das Wahlalter 16 noch einmal kontrovers diskutiert. Nach zwei lebhaften Diskussionsrunden kamen alle Beteiligten wieder im Plenum zusammen. Marc Ruland machte den Jugendvertreter*innen das Angebot, zwischen den jährlichen So-geht's-Treffen im Landtag zusammenzukommen, um sich weiter über aktuelle jugendpolitische Belange auszutauschen und besser zu vernetzen. Beim gemeinsamen Mittagessen klang die diesjährige Veranstaltung langsam aus.
Und, wie wars?
Ganz oben steht bei den Jugendvertretungen der Wunsch, vor Ort bekannter zu werden und mehr Jugendliche für die eigene Arbeit zu begeistern. Der Input von Daniela Mahr, wie kreativ und erfolgreich Beteiligung auch abseits tradierter Strukturen sein kann, kann hier sicherlich eine Quelle der Inspiration für die eigene Arbeit sein. Das 16. Treffen der kommunalen Jugendvertretungen war entsprechend der Rückmeldung aus dem letzten Jahr in seiner Struktur offener angelegt, damit die Jugendlichen ihre Ideen auch währenddessen noch stärker einbringen konnten. Die dafür vorgesehenen Zeiträume wurden von den Jugendlichen produktiv zur Auseinandersetzung mit ihren Belangen genutzt. So konnte in interessenbasierten Kleingruppen ebenso über vorhandene Projekte reflektiert wie neue Ideen entwickelt und Kontakte zu anderen Jugendvertretungen geknüpft werden. Auch die Besuche von Jugendministerin Anne Spiegel und den jugendpolitischen Sprechern von CDU und SPD sind bei den Jugendlichen sehr gut angekommen. Sie finden den Austausch mit der Politik wichtig, um Kontakte zu knüpfen. Gerne würden sie sich in Zukunft noch stärker mit der Bildungspolitik austauschen.
Alles in allem blicken wir zurück auf ein erfolgreiches Netzwerktreffen, das auch durch die Unterstützung der OKUJA Bad Neuenahr-Ahrweiler gut gelaufen ist. Vielen Dank also an die OKUJA und das Mehrgenerationenhaus für die angenehme Zusammenarbeit, schönen Räumlichkeiten, eine gute Rundumversorgung und ein gelungenes Abendprogramm.
Autor*innen: Sophie Buchardt, Frank Temme, Thea Rohn